Depression als Risiko für Schlaganfälle
Somatische Komorbiditäten können das Risiko für Depressionen erhöhen. Insbesondere kardiovaskuläre Erkrankungen wurden hierzu schon hinreichend untersucht. In einer kürzlich publizierten Studie konnte der Zusammenhang zwischen Hirninfarkten und Depression näher beleuchtet werden.
Weltweit leiden im Durchschnitt 3,8% der Weltbevölkerung an einer Depression, bei Menschen über 60 Jahre sind es sogar 5,7%. In früheren Studien konnte gezeigt werden, dass Menschen mit Depression auch ein erhöhtes Risiko für ischämische und hämorrhagische Schlaganfälle aufwiesen. Als möglicher Zusammenhang wurden u.a. Inflammationsprozesse bei Depressionen beschrieben, die wiederum mit einem erhöhten Risiko für Arteriosklerose assoziiert sind. Auf der anderen Seite existieren mehrere Studien, die dieses erhöhte Risiko nicht identifizieren konnten. In einem jüngst veröffentlichten systematischen Review mit Metaanalyse wurden nun die Studien zu dem Thema analysiert, um die Risikoeinschätzung genauer zu detektieren. Das qualitativ hochwertige systematische Review wurde nach den PRISMA-guidelines durchgeführt. Eingeschlossen wurden Studien, in der depressive Störungen mittels einer anerkannten Depressions-Skala bei Einschluss diagnostiziert wurden, die eine Kontrollgruppe ohne Depression beinhaltete und bei denen ein Schlaganfall (TIA, ischämischer Hirninfarkt, hämorrhagischer Hirninfarkt) in den follow-up-Untersuchungen festgestellt wurde. Insgesamt konnten 15 Studien mit über 740000 Patient:innen in die Metaanalyse inkludiert werden. In allen Studien wurde verglichen, ob die Population mit einer Depression mit einem erhöhten Schlaganfallrisiko im Vergleich zu der Population ohne Depression einherging. Über alle Studien hinweg zeichnete sich tatsächlich ein 1,47-fach erhöhtes Risiko für Schlaganfälle bei Menschen mit Depressionen ab – das Ergebnis war statistisch signifikant. Lediglich 2 von den 15 Studien konnten kein erhöhtes Risiko detektieren. In der Metaregressionsanalyse zeigten sich die Kovariaten Bluthochdruck und Alter als weitere Risikofaktoren, während Geschlecht, Diabetes mellitus und der BMI in dieser Studienpopulation nicht mit einer signifikanten Risikoerhöhung für einen Schlaganfall einhergingen. In Subgruppenanalysen konnte zudem festgestellt werden, dass Studien mit einem follow-up unter 6 Jahren mit einem erhöhten relativen Risiko für Schlaganfälle einhergingen als Studien die über 6 Jahre andauerten.
Anhand dieser Studie lässt sich ableiten, dass Patient:innen mit Depression ein um 47% erhöhtes Risiko für einen ersten Schlaganfall haben. Als Ursache dafür werden verschiedene Aspekte diskutiert. So können depressionsbedingt inflammatorische Prozesse, Störungen der Immunabwehr und der HPA-Achse sowie eine erhöhte Plättchenaktivierung eine Rolle spielen. Weiterhin könnte ein ungesünderer Lebensstil bei Menschen mit Depression (weniger Bewegung, ungesündere Ernährung etc.) sowie eine geringere Medikamentenadhärenz zu einem erhöhten Risiko für Schlaganfälle führen. Jedoch scheinen auch andere Ursachen eine Rolle zu spielen. So konnte in einer anderen Metaananlyse auch ein erhöhtes Risiko nachgewiesen werden, jedoch unabhängig vom kardiovaskulären Risikoprofil. Höheres Alter wiederum geht mit einem erhöhten Risiko für Mikroangiopathie einher, welches per se auch mit einem erhöhten Schlaganfallrisiko assoziiert ist. In einer Studie konnte gezeigt werden, dass Menschen mit einem late-onset-Depression auch häufiger einen Schlaganfall erleiden als Patient:innen, die einen early onset einer Depression aufwiesen.
Fazit:
Leider wurden seitens der Autoren keine Angaben bezüglich der therapeutischen Interventionen der depressiven Störungen gemacht. So können beispielsweise einige Antidepressiva (SSRI, SNRI) auch mit einem- wenn auch geringen – cerebralen Blutungsrisiko einhergehen. Dennoch bestätigt die Studie eindeutig, dass Depressionen ein Risikofaktor für Schlaganfälle sein können und unterstreicht nochmal die Wichtigkeit einer raschen und adäquaten Behandlung – insbesondere bei älteren Menschen.
Quelle:
Quante A. Depression als Risiko für Schlaganfälle. PSYCH up2date 2024; 18(06): 447 – 448. doi:10.1055/a-2395-8792
Publikationsdatum: 18. November 2024 (online)
Autor Studienreferat: PD Dr. med. Arnim Quante, Berlin